7 Gedanken zu „DSA59 Götterkritik

  1. interessante „Echs-Perten“

    Praios wurde als Braianos aus Myranor mitgebracht und hat nichts mit Silem Horas zu tun… der sagte nur welche 12 Erlaubt sind und was verboten ist.
    Ucuri+Aves wurden als Wegweiser mitgebracht und gabs vorher nicht, die entdeckte man auf der Überfahrt, ebenso wie Swafnir bei den Hjaldingern.

    Die Götterverehrung in Myranor wird sehr belächelt, das ist dort drüben eher Magokratisch, also Herrschaft der Optimaten mit Magie, Tempel sind zwar existent, die Priester haben aber nicht mehr Anerkennung als bei uns die Scientology.

    das mit Nandus stimmt übrigens, in dem Roman Sternenleere gibt es noch ein Gespräch von Hesinde und Amazeroth im Limbus, was sehr interessant ist.
    für Geweihte aber wie gesagt keine Relevanz, weil solche Infos so tief vergraben sind, dass keine Schrift der Welt sie erfasst hat.
    die Borbarad-Kampagne funktioniert trotzdem, unabh von der Historia Av.

    • @Frostgeneral
      Das mit der myranischen Götterverehrung stimmt so nicht ganz. Ja, der Stellenwert der Götter ist ein anderer und die Oktade ist eine künstliche Zusammenstellung der Götter, die die Archäer für praktisch für ihren Staat hielten, aber „belächelt“ wird tatsächlich nur die Verehrung der Götter um ihrer selbst willen, wie es in Aventurien der Fall ist, wo man glaubt, dass z.B. ein Krieger rondragefällig leben sollte, weil es Das Richtige ist. Ein myranischer Myrmidone betet Shinxir an und opfert ihm, weil er im Austausch dafür Erfolg in der Schlacht haben will – also eine absolut eigennützige Position. Priester sind dementsprechend weniger Boten des Willens der Götter und mehr (durchaus angesehene) Makler, die göttliche Gnade im Austausch gegen Opfergaben vermitteln.

  2. Es ist so wohltuend, wenn einem bezüglich der Historia aus der Seele gesprochen wird.
    Das Buch hat es einfach nicht gebraucht.

    Aber mal zu etwas Anderem, was ist eigentlich mit dem wahren ersten Gott?
    Mit dem neunen DSA5 Geweihten-Band sollen jetzt angeblich auch Geweihte des Namenlosen spielbar werden.
    Wird es da nicht dringend Zeit sich mal mit jenem auseinander zu setzen?
    Oder fürchtet ihr seinen Verlockungen zu erliegen?

    Welche Gründe sollte ein Mensch haben diesen Gott anzubeten?
    Gilt auch hier: Warum sollte man so doof sein, den anzubeten, wenn man doch weiß, dass man dafür im dies und jenseits bitter bestraft wird?
    Oder ist der Namenlose Gott gar nicht das große Übel? Hat vielleicht nicht er die Götter, sonder die Götter ihn verraten?

    Für mich ist der Namenlose der spannendste Gott und geht weit über den generischen Erzbösegott hinaus.
    Wäre sehr auf eure Gedanken gespannt.

  3. Die Audioqualität ist mal wieder sehr schlecht. =( Vor Allem die unterschiedlichen Lautstärken sind sehr anstrengend. Vielleicht könnt ihr die Folgen einfach vor dem Veröffentlichen einmal durch Auphonic jagen. Das müsste für euch sogar kostenlos sein. (https://auphonic.com/)
    Vielleicht hilft es auch, wenn ihr für jeden Sprecher eine eigene Spur aufnehmt. In den meisten Editoren kann man die Lautstärke der Spuren einzeln regeln.

  4. Eine sehr schöne Folge. Es tut dem Format immer wieder gut, verschiedene Stimmen zu hören, die auch nochmal verschiedene Meinungen mit reinbringen. Ich finde, Rollenspiel ist ja sehr komplex. Im Grunde simulieren wir ja eine komplette Welt, und wie wir das tun hängt doch sehr davon ab, wie wir die Welt um uns herum wahrnehmen. Oder warum wir überhaupt spielen. Da gibt es so viele verschiedene Ansichten, dass verschiedene Podcaster auf jeden Fall gut tun. Ich wollte schon länger immer wieder mal was schreiben, und hab das jetzt endlich zum Anlass genommen. Achtung, es wird… äh… lang.

    Ich glaube, die Frage nach Göttern und Religion hat drei Seiten: Eine aus Sicht der Gläubigen, eine aus Sicht der Kirche und eine aus Sicht der Gottheit.

    1.)

    Ich fange mal mit der Sicht der Gläubigen an: Wir laufen, denke ich, häufig Gefahr, Religion und Götter einerseits viel zu sehr aus unserer skeptischen Sicht des 21. Jahrhunderts und andererseits aus der „Außen“-Sicht des Quellenbuchlesers und Spielers zu betrachten. In beiden Fällen tendieren wir dazu, sehr schnell „WTF?“ zu fragen, oder, wie bei euch geschehen: „Hey super, wenn ich Peraine-Geweihter werde, dann kann ich alle heilen! Mach ich!“ Ihr habt das ja auch zum Teil schon angesprochen, aber ich würde es nochmal verstärken: Für einen Bewohner Aventuriens sind Götter auf jeden Fall etwas sehr, sehr Mystisches, vielleicht Furchteinflößendes, und auf jeden Fall nichts, das man infrage stellt. Man glaubt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Und man lebt in ständiger Angst vor den Göttern und in ständiger Hoffnung auf göttliches Wirken, genauso wie Bauern, Ritter und Könige im Mittelalter auch getan haben. Zur Erinnerung: Auch in unserer Geschichte gab es Pilgerer, Eremiten und sonstige Heilsbringer, die „Menschen heilen“ konnten, zu denen Menschen tagelang gereist sind, um Heilung zu erbitten, und dann teilweise, Kraft der Autosuggestion oder aufgrund glücklichen Heilverlaufs, tatsächlich Heilung erhalten haben. Auch in unserer Vergangenheit konnten Priester Wunder wirken, nämlich zum Beispiel böse Dämonen und Geister vertreiben. Die Menschen haben daran geglaubt. Insofern ist die Macht eines Boron-Priesters „ingame“ gar nicht so viel größer, als die Macht eines katholischen Exorzisten im 13. Jahrhundert. Der Unterschied besteht nur darin, dass wir (als Spieler) wissen, dass Untote und Dämonen in Aventurien existieren, während wir (als aufgeklärte Skeptiker) wissen, dass sie in unserer Welt niemals existiert haben (also… die meisten von uns glauben das zu wissen. Einige glauben nach wie vor daran).

    Aus genau derselben Brille würde ich auch eure Frage beantworten, ob ein Dieb sich nicht außerhalb der Götterwelt sieht. Warum sollte er? Wie viele Diebe, Mörder, Verbrecher gab es in unserer Vergangenheit, die anschließend weinend zum Beichtstuhl gerannt sind, oder in ihrem stillen Kämmerlein gebetet haben, dass sie nicht in die Hölle kommen? Bestimmt sehr, sehr viele. Insofern finde ich es auch plump und verschenktes Flair, wenn alle Diebe immer nur, Klischee! Klischee!, Phex anbeten. Warum nicht ein Dieb, der sich nach jedem Diebeszug geißelt, um Praios um Verzeihung zu bitten? Oder der, neben phex- auch traviagläubig, sich bei seinen Beutezügen darum bemüht, möglichst nichts kaputt zu machen, um die „Weihe der Heimstatt“ nicht zu zerstören? Überhaupt, „der Dieb“ ist ja auch schon wieder so eine rollenspielerische Sicht. Die Frage ist ja immer, warum jemand Verbrechen begeht. Nicht jeder macht das hauptberuflich. Manche machen es aus Not, andere sehen sich gar nicht als Verbrecher, versuchen sich die Sache schönzureden („die Supermärkte sind doch eh so voll, das merkt doch keiner“). Auch da tappen wir schnell in die Rollenspiel-Falle, die alles sofort nach Charakterklassen, Gesinnung und Fähigkeiten einsortiert.

    Ich glaube übrigens auch, dass selbst der brutale, hinterhältige Gangsterboss sich vermutlich auf Phex beziehen wird, auch wenn er ganz und gar nicht im Sinne der offiziellen Regeln handelt. Entweder, weil er sich (aus Angst) selbst belügt, oder vielleicht auch einfach, um sich nach außen einen besseren Anstrich zu geben. Selbst heute noch gibt es Drogenbosse in Südamerika, die ehrfürchtig zu Gott beten, auch wenn sie im Grunde gar nicht christlich handeln. Das sollte man also auch nicht ganz vergessen: Im Namen der Götter kann auch einiges an Schindluder und Selbstbetrug getrieben werden. Die Frage ist natürlich auch hier wieder, inwiefern der betreffende Gott dann eingreift oder nicht. Ich plädiere da ganz stark für das Modell eines „gelassenen Gottes“, aber dazu in Punkt 3 mehr.

    Hinzu kommt: Niemand kann sich sowieso immer an alle Gebote halten. Im christlichen Glauben haben wir das Gebot „Du sollst nicht lügen.“ Ich bin sicher, Heerscharen an Priestern haben gegen dieses Gebot schon verstoßen. Der buddhistische Glauben gibt Regeln vor, um ins Nirwana zu gelangen, die so schwer zu befolgen sind, dass die wenigsten es schaffen. Weil Gebote immer eine Absolutheit darstellen, vielleicht sogar darstellen müssen: Wenn es jeder könnte, wäre es ja einfach. Auch da sollte man also dringend weg von diesem rollenspiel-technischen Ansatz der dann besagt: „Das geht nicht! Der ist Praios-Geweihter! Der kann nicht lügen!!“.

    Ich denke, es ist aus all den auch ganz, ganz wichtig, dass man als gläubiger Mensch das Wesen und die Motivation einer Gottheit sowieso nie verstehen kann. Auch da ist DSA doppelt gefährlich, weil aus dem Mystischen, Ungewissen schnell das berechenbare wird („Rondra ist soundso“); dazu später nochmal mehr. Aber für die meisten Aventurier sollte immer gelten: Keiner kann mit Gewissheit sagen, wie eine Gottheit reagieren wird, ob sie ein Gebet erhört, ob sie einen Frevler wirklich bestraft. Das hattet ihr ebenfalls kurz gestreift, mit dem Gegensatz zwischen Magie („Naturwissenschaft“) und Wundern („Mystik“). In irgend einem Kommentar (ich glaube, zum Boron-Podcast) tauchte mal der Hinweis auf, dass man die Zwölfgötter sowieso viel mehr als Einheit sehen sollte. Wir Spieler tendieren schnell dazu, dieses Konkurrenzdenken aufzuziehen („Wenn du Bayernfan bist, kannst du kein HSV-Fan sein.“) Das wird der aventurische Bauer und auch der Geweihte sicherlich nicht so sehen, sondern der wird vor allen Göttern Ehrfurcht empfinden. Und wenn das widersprüchlich ist, weil sich die Gebote der Götter untereinander widersprechen, dann gehört das zum Wesen einer Religion mit dazu, und es wird die Menschen eher noch mehr in Unsicherheit stürzen, als sie zu Leuten werden zu lassen die sagen „Ätschibätsch, Hesinde kann mir gar nichts, ich stehe unter Praios Schutz.“ Das Problem an der Sache ist, dass an dieser Stelle die Götterwelt von DSA eine seltsame Leerstelle hat: Sie bietet fast gar keine Geschichten und Mythen über echten Zwist und Streit unter den Göttern. Zumindest sind mir kaum welche bekannt. Gibt es denn eine Sage oder Legende, wie Praios sich mit Hesinde unterhält und die beiden über Magie streiten? Die griechische Mythologie, die (in der westlichen Welt) ja das bekannteste Vorbild für einen umfassenden Pantheon ist, hat solche Geschichten ja zuhauf, da weiß man dann, dass Aphrodite, Heras und Athene darum streiten, wer die schönste ist, und am Ende entsteht daraus der Trojanische Krieg. Oder dass der hässliche Schmiedegott Hephaistos von seinen Kollegen ausgelacht wird, als seine Frau Aphrodite ihn mit Kriegsgott Ares betrügt. Und so weiter. Die Lehre daraus ist ja, dass man als Mensch besser nicht in die Streits der Götter hineingerät, weil das nur für ihn übel ausgehen kann, aber dass, unter dem Strich, die Götter trotzdem ein gemeinsamer verschworener Haufen sind, nur eben mit der für Menschen irgendwie dann doch tröstlichen Aussage, dass auch bei den Göttern die menschlichen Verfehlungen wie Streits, Missgunst und Neid vorkommen. In Aventurien sind mir solche Mythen nicht bekannt, sodass die Götter alle seltsam für sich in ihrer Domäne stehen, als seien sie tatsächlich ganz alleine, und sich nur gegen Dämonen oder andere Katastrophen eben verbünden. Ich glaube, es wäre sehr hilfreich, wenn man Geschichten darüber hätte, wie Praios ein Streitgespräch mit Hesinde führt oder Rondra den Phex verprügelt, woraufhin er ihr den goldenen Dolch stiehlt, und so weiter. Das müssten ja noch nicht einmal „wahre“ Geschichten sein, aber es würde, denke ich, helfen, die Götter tatsächlich mehr als Gemeinschaft wahrzunehmen.

    2.)

    Die Kirchen. Ich glaube, ein ganz wichtiger Gedanke ist die Tatsache, dass Kirchen nicht immer zwangsläufig dem exakten Willen eines Gottes entsprechen, und dass jede Institution, egal wo, automatisch „Politik“ ist, also Machtkämpfe erzeugt, Richtungsstreits und ihre Umwelt beeinflusst. Nehmen wir mal für den Augenblick an, es gäbe Beweise darüber, dass der christliche Gott die Welt erschaffen und Moses die 10 Gebote überreicht hat. Bedeutet das automatisch, dass dieser Gott auch den Zölibat befohlen hat und bei jeder Papstwahl den richtigen Papst auswählt? Nein, das bedeutet es nämlich überhaupt nicht. Es kann Regeln geben, die tatsächlich „von Gott“ kommen, und andere, die aus reiner Machtpolitik entstanden sind, oder aus dem, wie Menschen einen Gott interpretiert haben (und dann selbstverständlich behaupten werden, Gott habe zu ihnen gesprochen). Genauso würde ich auch die aventurischen Kirchen sehen, und damit übrigens auch die gesamten Gebote, Verbote und Regeln: Niemand weiß doch genau, was Phex oder Travia wirklich wollen. Und das ist auch gut so. Nur so werden die Kirchen und ihre Geweihten und Würdenträger nicht allesamt zu langweiligen Abziehbildern eines dogmatischen Satz an Klischee-Regeln („So steht’s im Regelbuch.“) Selbst die gewirkten Wunder würde ich da nicht als Beweis sehen. Zum einen mag der eine oder andere Effekt eines Wunders tatsächlich auch zum Teil durch Autosuggestion des Geweihten auftreten („weil ich so fest daran geglaubt habe und auch der Betroffene so fest daran glaubt, passiert das und das“), schließlich geht es auch um eine Welt, in der Magie existiert, warum kann dann nicht zum Teil übernatürliches passieren, ohne dass der betreffende Gott jedes Mal seinen umfassenden Segen erteilt? Oder vielleicht glaubt der Geweihte, Boron hat ihm gerade geholfen, weil er immer so artig schweigt, aber in Wirklichkeit liegt es daran, dass er vergangenen Monat etwas borongefälliges getan hat. Auch da spielen uns natürlich die Regeln einen Strich durch die Rechnung, weil sie das Mystische berechenbar machen. Im Sinne der Handhabbarkeit braucht es dann einen Satz an Regeln, an denen sich Meister und Spieler festhalten können, um Karma zu vergeben oder zu entziehen. Aber aus meiner Sicht sollte jeder Meister das immer mit einem gewissen Unsicherheitsfaktor versehen: Du, Geweihter, glaubst gerade, dass du soundso viel Karma besitzt und damit dies oder das tun kannst – aber sicher sein kannst du dir da nie. Wunder sind keine Naturwissenschaft. Das erfordert einen gewissen Vertrauensvertrag zwischen Spielern und Meister und möglicherweise auch eine Art Rollenspiel, die über das Spielgefühl mancher Anfänger-Gruppen hinausgeht, aber wäre für mich im Sinne einer plausiblen, sinnvoll spielbaren und „realistischen“ Religion auf jeden Fall vorzuziehen.

    Es fiel im Podcast der schöne Satz „Ja, aber wenn man das alles verwässert, dann bleibt ja von der ursprünglichen Religion nichts mehr übrig.“ Denselben Satz könnte ein Katholik über die Protestanten sagen. Und es ist ein schönes Beispiel dafür, wie sich sehr wohl Religionsgemeinschaften verändern und trotzdem nach wie vor sehr fest und sehr überzeugt in ihrem Glauben sind. Genauso interpretiere ich auch die beiden Boron-Kirchen: Sie sind zunächst einmal völlig menschengemacht, und sind aus Gründen von Machtstrukturen, Politik und eigensinnigen Agenden entstanden. Aber offenbar ist der Gott da gar nicht so wählerisch – solange bestimmte Aspekte eingehalten werden. Da sind wir wieder beim „gelassenen“ Gott, beim „entrückten“ Gott vielleicht auch. Dazu, wie gesagt, nochmal mehr in Punkt 3.

    Unter genau denselben Vorzeichen interpretiere ich auch Firun-Geweihte als Förster. Zunächst einmal sind sie vermutlich schlicht Ausdruck einer machtpolitischen Idee: Ich als Fürst oder König, will mich mit Firun gutstellen, oder ich will meinem Volk eine Art von religiöser Verbundenheit präsentieren, oder ich als Kirche will im Schatten des Königs Macht erlangen. Also interpretiere ich da die Regeln ein wenig um. Insofern sagt es erst einmal gar nicht aus, ob sich jemand mit dem Namen von Firun schmückt (siehe oben den Gangsterboss). Ganz anders wird die Sache natürlich, wenn solche Neu-Interpretationen tatsächlich göttliche Macht in sich tragen. Da landen wir schon wieder bei der großen Crux der Rollenspiel-Regeln: Sie widersprechen durch ihre eindeutige Beweislage („Förster Firundolf kann Wunder wirken, also ist Firun ihm gewogen.“) eigentlich einem göttlichen, unergründlichen Treiben und Tun.

    Und damit sind wir bei

    3.)

    Dem Gott selbst. Im Grunde steckt in „Glauben“ die Idee drin, dass man einen Gott nicht beweisen kann. Wenn man ihn beweisen kann, wäre er kein Gott, sondern ein Naturphänomen, das sich beweisen und erklären lässt. Mehr noch: Eigentlich würde ein Gott, der sich beweisen lässt, und der nach voraussagbaren Mustern und Regeln handelt („wenn ich X tue, belohnt mich Gott mit Y“) zwangsläufig zu einer sehr lethargischen und völlig abhängigen Gesellschaft führen. Niemand würde mehr gegen göttliche Regeln verstoßen, weil er weiß, dass er dann bestraft wird. Niemand würde nennenswerten Eigenantrieb entwickeln, weil er weiß, dass alles sowieso von Gott entschieden und bestimmt wird. Warum also selbst aktiv werden? Das wäre fatal. Ich glaube, eine sehr wichtige Eigenschaft von Religion besteht letztlich darin, dass die Menschen am Ende trotzdem völlig frei sind, das zu tun, was sie wollen. Religion (beziehungsweise der jeweilige Gott) kann allenfalls nach dem Tod bestrafen. Ansonsten müsste man sich ja wirklich fragen: Warum lässt Gott Kriege und Gräueltaten zu? Die Antwort kann ja nur lauten: Weil ein direktes Eingreifen von ihm einer göttlichen Diktatur gleichkäme, die in ihrer Konsequenz viel schlimmer wäre. Und aus genau dem Grund ist es so problematisch, dass die aventurischen Götter für uns externe Beobachter so real und berechenbar sind. Das sollten und dürfen sie nicht sein. Das heißt… das können sie schon, aber je mehr sie es sind, umso unlogischer wird eigentlich die komplette Welt und das Verhalten all ihrer Bewohner. Ich glaube, genau daran habt ihr euch auch (unterbewusst) so oft gerieben und gestört in vielen der Podcasts.

    Wenn ein Gott ein Gott ist, dann darf er nicht berechenbar sein, und es muss unklar sein, welche seiner Regeln und Gebote tatsächlich von ihm kommen, oder von seiner Kirche, oder welche man sich selbst einbildet. Insofern würde ich immer dafür plädieren, dass die Rollenspiel-Regeln Anhaltspunkte sind, Eckpfeiler, die das Spiel greifbar machen, vielleicht auch ein Stückweit berechenbar, damit Spieler sich nicht völlig hilflos und belanglos fühlen. Aber genauso würden sich sicherlich auch Geweihte benehmen: Sie vertrauen darauf dass das, was sie gelernt haben, gilt. Sie halten sich an Regeln (so gut es geht), sie vertrauen und glauben – und erleben trotzdem immer wieder, dass es nicht funktioniert. Woraufhin der Zweifel einsetzt: Lag es an mir? Was habe ich falsch gemacht? Oder lag es an meinem Gott, der gerade ganz andere Sorgen hat, oder einen ganz anderen Plan für die Welt? Wem das nicht zusagt, der sollte lieber einen Magier spielen, der in seiner Eigenschaft viel mehr Naturwissenschaftler ist. (Nebenbei: Auch die beweisbare Existenz von Magie würde vermutlich die aventurische Welt viel stärker ändern, als sie es tut; meine Annahme ist, dass es kaum wissenschaftlich-technologischen Fortschritt gäbe, weil Magie in so vielen Bereichen so viel einfacher ist, als dass man etwas erfinden müsste; aber das führt uns jetzt zu weit, und am Ende soll Fantasy, Aventurien und DSA ja auch Unterhaltung sein und keine langweilige Simulation).

    Unter dem Strich plädiere ich dafür, dass die Götter mysteriös bleiben. Und wir uns auch nicht zu sehr von unserem christlichen Weltbild leiten lassen. Da komme ich wieder auf die eingangs von euch aufgeworfene Frage zurück, ob ein Dieb außerhalb der Götter steht. Wer sagt denn, dass es Götter tatsächlich interessiert, ob Menschen stehlen, morden oder Verbrechen begehen? Odin und Thor zumindest hat es gefreut, wenn geraubt und gebrandschatzt wurde. Aber selbst davon abgesehen kann ich mir Götter vorstellen, denen zunächst mal wichtig ist, dass eine Gesellschaft nicht komplett in Chaos und Anarchie versinkt, weil dann keiner mehr Zeit zum Beten hat – aber ein paar Verbrechen hier und da, ein wenig Selbstsucht hier und da, ein paar Psychopathen, brutale Sadisten, fiese Könige, das bringt alles noch keine Gesellschaft zum Einsturz. Vielleicht braucht es das sogar. Da landen wir dann, zum Abschluss, bei Goethes „Faust“ und der These, dass es den Teufel braucht, damit Gutes entstehen kann.

  5. Pingback: Aus dem Limubs: Podcasts, Rezensionen und Let’s Plays | Nandurion

  6. Götterkritik ist ein cooler Begriff.. Outtime reagieren Menschen den Göttern gegenüber ja immer nur mit Anbetung, Leugnung oder Anklage. Dabei wäre z.B. dem christlichen Gott gegenüber auch mal konstruktiver Kritik angebracht.

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