DSA89 Realitäten

Was passiert, wenn Spieler und Meister in unterschiedlichen Realitäten spielen? Wenn es zu Missverständnissen und Fehleinschätzungen über Spielsituationen kommt? Hat der Meister immer recht oder orientiert er sich an den Spielern? Zum Glück haben wir Sigi dabei, um diese schwierigen Fragen zu beantworten

4 Gedanken zu „DSA89 Realitäten

  1. Sehr schönes Bild zu der Folge, illustriert gut was gemeint ist!

    Zum Thema „Spieler- und Meisterwahrnehmung“ gibts bei uns einen running gag, der einer Situation entspringt, in der der Meister uns von irgendwelchen dämonischen Wölfen angreifen lies. Am Ende der ersten KR hieß es dann „so und dann die 3. Aktion – Attacke – trifft!“ Und unter den Spieler*innen war große Verwirrung. 3. Aktion? Wie das? „Ja der 2. Kopf greift auch an!“ „WIE DIE HABEN 2 KÖPFE?!“ – der Meister hatte dieses kleine Detail schlicht vergessen zu erwähnen. In seiner Welt wurden wir von zweiköpfigen Halbdämonen umzingelt, in unserer waren da halt etwas gruseligere Hündchen.

    War halb so wild, kann ja mal passieren, dass man im Eifer des Gefechts was vergisst, aber aufgezogen haben wir ihn damit trotzdem über Monate. 😀

  2. Pingback: DSA-Intime-Podcast zu abweichenden Realitätsvorstellungen im Rollenspiel – Nuntiovolo.de

  3. Interessantes Thema, zu dem man sicher lange Ausätze verfassen könnte.
    Daher nur zwei Bemerkungen dazu von meiner Seite (die werden schon lang genug!):

    Die SL kann eine Szene noch so gut beschreiben, es wird immer (und wenn auch nur in Nuancen) so viele verschiedene „Realitäten“ dieser Szene geben, wie Spieler am Spieltisch sitzen. Daher frage ich als Spieler auch gerne bei der SL nach: „Sehe ich es richtig, dass wenn ich X mache, ich damit rechnen muss, dass Y passiert?“. Also bspw.: „Sehe ich es richtig, dass ich als mittelmäßiger Schwimmer besser nicht durch diesen reißenden Fluss schwimmen sollte?“
    Damit verhindert man schon mal viele Missverständnisse zwischen SL und Spieler. Und für mich als Spieler steht fest: Im Zweifel gilt die Realität der SL. Da gibt es für mich auch keine Diskussion. Ich vertraue darauf, dass die SL hier gute und richtige Entscheidungen trifft, die dazu beitragen, dass alle zusammmen einen netten und spannenden Spielabend haben.

    Zweiter Punkt: Die Spieler sollten die Spielwelt und ihre Herausforderungen ernst nehmen, denn nur so lassen sich stimmungsvolle und spannende Szenen erschaffen. Klar, alte Hasen können beim Durchschreiten einer nebeligen Sumpflandschaft gähnend verkünden: „Jaja, gleich kommen die Moorleichen, jede wette…“. Aber führt das zu schöner Spielatmosphäre?
    Wenn aber der Barde davon berichtet, dass man sich über diesen Ort schauerliche Geschichten erzählt.. und dass niemals jemand lebend aus dem Totenmoor wieder gekehrt ist… und der Späher der Gruppe meint, ein merkwürdiges Schmatzen gehört und dunkle Schemen im Nebel erspäht zu haben… wozu muss ich als SL dann noch Moor-Leichen auftauchen lassen? Die Spieler kauen bereits nervös auf ihren Nägeln herum, als endlich die Lichter einer Siedlung zu sehen sind. Puuuh! Nochmal Glück gehabt! Oder doch nicht? wer wohl an so einem finsteren Ort wohnt…?
    Oder was bringt es mir, wenn ich auf die Ansage der SL: „Ein Erdrutsch! Ihr droht unter Steinen begraben zu werden!“ antworte: „Naja.. wird schon nicht so schlimm sein… ich bleibe stehen.“
    Ist dies ein Beitrag zu einer spannenden und guten Szene? Ich denke nicht.
    Im Grunde teile ich der SL damit nur mit: „Die von dir gerade beschriebene Szene juckt mich nicht die Bohne. Laaangweilig! Los, lass dir was unterhaltsameres einfallen!“
    Nur weil ich Spieler bin, trage ich trotzdem Verantwortung für eine gelungene Szene. Diese liegt nicht alleine bei der SL.

  4. Die Meteoritenszene ist mir als sehr schwammige Situation in Erinnerung, daher habe ich sie nochmal nachgeschaut. Die Situation dabei ist Folgende:

    Ein Handgemenge bricht aus. Einige Dörfler halten den Fliehenden fest. H ist auf ihrem Pferd 10m entfernt, einige Dörfler gehen auf R zu und hält aufgrund eines Zaubers inne. I bewegt sich auf die Bauern zu. H nähert sich dem Fliehenden und zwei Bauern gehen zu ihr hin, woraufhin sich H auf ihrem Pferd einige Meter entfernt. F der sich bisher nicht bewegt hat steht plötzlich direkt vor einem der Bauern und greift diesen an. Die beiden Bauern schließen wieder zu H auf und greifen sie an. R hat sich nach wie vor nicht bewegt und versucht auf die Menge einzureden. I rennt ins Getümmel. Zwei der Bauern haben sich jetzt auch R genähert und greifen ihn an. F ruft den Meteoriten und bestimmt als Einschlagpunkt „nicht, dass er sie trifft, aber neben die.“ Der Meteor schlägt in einer Aktion ein. (Diese Information wird nebenbei erwähnt und geht in der Aktion des nächsten Spielers völlig unter) R wehrt sich gegen die Bauern, H weist auf den Meteoriten hin, die Bauern fliehen und I hilft dem Fliehenden auf ihr Pferd. An dieser Stelle fragen die Spieler nach wann und wo genau der Meteorit einschlägt (U der Spieler von R [spielt dieses System seit vier Stunden und hat den Meteoriten selbst noch nie erlebt] fragt hier auch nach der Druckwelle). Als Antwort darauf schlägt der Meteorit mit einer Reichweite von 5m ein. Florentin würfelt aus wer in der Nähe des Meteoriten stand. R hat Pech und wird zerfetzt, während alle anderen Glück haben und ungeschoren davonkommen.

    Preisfrage: wer steht wo in Relation zueinander und zum Meteoriten?

    Ich glaube das Problem in diesem Fall ist die Unübersichtlichkeit der Situation. Zu Beginn stehen sich zwei Gruppen gegenüber und zwischen ihnen eine mehr oder weniger unbeteiligte Person. Die Bauern, H I und F stürmen aufeinander zu in ein Handgemenge, während R stehen bleibt und die Bauern dazu zwingt zu ihm zu kommen. Beim Einschlag wird lediglich R getroffen, was vermuten lässt, dass der Meteorit hinter R und damit auf der von der den Bauern abgelegenen Seite landet. Das erfüllt durchaus die Zielansage. Er schlägt neben die Bauern ein und trifft sie nicht. Trotzdem herrscht eine gewisse Unzufriedenheit. Warum ist das so?

    Ich habe mir das Video jetzt nochmal angesehen und zwischendurch gestoppt, um mir einen ungefähren Eindruck der Situation zu verschaffen und bin mir ziemlich sicher, dass während der Situation keiner der Beteiligten ein so klares Bild der Lage hatte. Mein Eindruck von der Zielansage des Spielers war eine Art Schuss vor den Bug. Er hat formuliert „die“ nicht treffen zu wollen. Florentin hat dieses „die“ als „die Bauern“ interpretiert, während ich (und meinem Eindruck nach auch die Spieler) „die“ als „die Beteiligten“ definiert haben. Jetzt haben die Spieler eine Aktion Zeit zu reagieren und tun dies auf unterschiedliche Weise. H macht auf den Meteoriten aufmerksam, I versucht dem Fliehenden zu helfen und R wehrt sich gegen die Bauern, die dann die Flucht ergreifen. Nach der Runde kommen wichtige Fragen auf, aber da ist es bereits zu spät. Natürlich hätten die Spieler diese Fragen früher stellen können. Natürlich hätte Florentin diese Fragen oder die Tatsache, dass die Spieler nur eine Chance zur Reaktion haben, vorher deutlicher machen können. Klar ist nur, dass niemand wusste wo er ist und wo der Meteorit einschlägt. Am besten wäre hier aber wohl eine kleine Skizze gewesen, die klipp und klar die Situation, den Einschlagort und den Gefahrenradius darstellt. Eine grafische Darstellung (wie in Episode 86 angesprochen) muss nicht immer sein, ist aber besonders in Situationen mit multiplen Handgemengen und dem Einsatz von Flächenschaden doch mal ganz nützlich.

    Das Problem auf Spielerseite ist hier eine Vermischung aus Spieler- und Charakterwissen. Die Spieler sind mMn. davon ausgegangen, dass es ein Warnschuss war, der gezielt außerhalb des Kampfes gesetzt wurde. Die Charaktere hätten das in der kurzen Zeit natürlich nicht von der Flugbahn her berechnen können und so damit rechnen müssen, dass der Meteorit sie treffen könnte.
    Das Problem auf Spielleiterseite ist, dass er es versäumt hat die Gesamtsituation zu verdeutlichen und den eher unerfahrenen Spielern (Was dieses System im Speziellen und Rollenspiel im Gesamten angeht) kaum Zeit gegeben hat angemessen zu reagieren. Da hat ein Satz gefehlt wie: „Ihr habt alle nur noch eine Aktion bis zum Einschlag und ihr wisst nicht genau wo der Meteorit landet!“
    Insgesamt wurde die ganze Situation aber gut geklärt. Es wurde eine Spielinterne Lösung gefunden, die aus der Charaktermotivation kommt und sich gut in den Abenteuerverlauf einfügt. Außerdem gab es keine Diskussion zwischen Spielern und Meister. So wurde der Spielfluss nicht unterbrochen.

    Mich würde interessieren wie die Spieler die Situation wahrgenommen haben. Hat Florentin da zufällig mal nachgefragt?

    Jetzt aber zum Thema!

    Realitäten:
    Unsere Realität wird beeinflusst von Emotionen, Erfahrungen und vielen anderen Faktoren. Selbst unsere Wahrnehmung ist beeinflussbar und bildet nicht die Wirklichkeit ab. Das gilt im Rollenspiel genauso wie überall sonst. Im Normalfall ist das auch eine gute Sache. So kann ein Meister eine Schneiderei mit „ein kleiner Raum, dessen Wände über und über mit Regalen bestückt sind, die mit unzähligen Stoffen, Gurten und Bändern vollgestopft sind.“ Jeder kann sich darunter etwas vorstellen, aber keine zwei Leute exakt das selbe. Für die gewünschte Funktion reicht das aber vollkommen aus. Die wesentlichen Eigenschaften sind beschrieben.
    Anders ist es, wenn die wesentlichen Eigenschaften nicht beschrieben wurden. „Ihr trefft auf einen Fluss. Die hölzerne Brücke ist eingestürzt und vereinzelte Planken treiben, durch modrige Seile gehalten, im Wasser.“ Wenn die Helden jetzt aber hindurchschwimmen wollen haben sie Pech. Bereits nach kurzer Zeit hat ihnen das eiskalte Wasser die letzten Kräfte geraubt um sich gegen die reißende Strömung zu stemmen. Das rettende Ufer ist noch mehrere hundert Schritt entfernt, als das Blut im Wasser, dass aus euren Wunden sickert, welche die scharfkantigen Algen hervorgerufen haben, unzählige Piranhas anlockt, die euch bis auf die Knochen abnagen. Es ist fast ein Segen, dass ihr bereits tot seid bevor ihr den Wasserfall in eine endlose Tiefe hinabstürzt.
    Hier hat der SL eindeutig vergessen auf ein paar Punkte hinzuweisen, die bei der Situationsbewertung wichtig gewesen wären. Das heißt nicht, dass er bei jeder Beschreibung alles bis ins Detail ausarbeiten muss. Wenn die Spieler aber in eine Richtung planen, die nicht in die Realität des SL passt muss er genauer werden. Die Spieler agieren in der Welt des SL. Dessen Hauptaufgabe ist es den Spielern diese Welt nahezubringen. Das ist einer der schwierigsten Aspekte des Leitens, aber auch einer der wichtigsten.

    Was ist wann erlaubt? Oder Betören im Kampf:
    Ein anderer Fluss. An der schmalsten Stelle ist er zwei Schritt breit. Das Wasser ist ruhig aber kalt, sodass die Helden lieber hinüberspringen wollen als zu schwimmen. Lässt der SL eine Probe zu und wie stark ist sie erschwert? Ich persönlich, der unsportlichste Mensch den ich kenne, würde diesen Sprung vermutlich schaffen. Ein Held sollte also erst recht wenig Probleme damit haben und die Probe ist unbeschwert möglich.
    Ein anderer Fluss. An der schmalsten Stelle ist er zweihundert Schritt breit. Das Wasser ist ruhig aber kalt, sodass die Helden lieber hinüberspringen wollen als zu schwimmen. Lässt der SL eine Probe zu und wie stark ist sie erschwert? Vermutlich wird der SL eine Athletikprobe hier nicht zulassen, da selbst ein geübter Leichtathlet wird das unmöglich schaffen.
    Interessant ist hier die Frage nach dem Grenzwert. Vier Meter? Fünf? Sechs? Ich weiß es nicht und ich glaube nicht, dass es eine richtige Antwort gibt.
    Eine junge Frau fällt vom Pferd in den Dreck und versucht sich dann an einem verführerischen Blick? Unwahrscheinlich damit einen wütenden Mob in die Flucht zu schlagen. Sie kann aber durchaus so jämmerlich wirken, dass sie niemand als Gefahr wahrnimmt und sie so auch nicht angegriffen wird, solange sie passiv bleibt.
    Es ist nicht immer jede Aktion sinnvoll und ein SL sollte auch nicht immer eine Probe zulassen. Trotzdem sollte der SL immer offen für Ideen sein, gerade wenn Magie im Spiel ist.

    Gravierende Konsequenzen:
    Es ist mir tatsächlich schon passiert, dass einer meiner Charaktere durch eine misslungene Probe ums Leben gekommen ist, deren Scheitern ich nicht als so gravierend eingeschätzt habe. Das ist natürlich ärgerlich, im Großen und Ganzen kann ich aber gut damit leben. Ich spiele gerne in einer gefährlichen Welt. Ein anscheinend kleiner Fehler oder eine unbedachte Handlung kann immer unvorhergesehene Folgen haben. Es wäre doch öde, wenn Charaktere nur in offensichtlichen Situationen in Gefahr sein könnten. Schlimme Konsequenzen durch Missverständnisse und mangelnde Informationen durch den SL lassen sich meist klären und im Zweifel kann man die Zeit im Spiel zurückdrehen. Im schlimmsten Fall völlig verhärteter Fronten ist es die Entscheidung des SL was passiert und die Entscheidung der Spieler ob sie mit dieser Entscheidung weiterspielen wollen. Dazu kommt es aber dann doch eher selten.

    Vielen Dank fürs Durchhalten und bleibt gesund 🙂

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